Dienstag, 29. Dezember 2015

Laila liest

Als Christ habe ich gelernt, helfe, wo Hilfe gebraucht wird. Als Freiwillige für die Arbeit mit Flüchtlingen gesucht wurden, habe auch ich mich gemeldet und landete beim Trupp für die Deutschkurse. Meine ersten Schüler, ein afghanisches Ehepaar mit sieben Kindern. Er kann ein kleines bisschen Deutsch, kein Englisch, aber immerhin seine eigene Schrift lesen, weil er wenigstens einige Jahre zur Schule gegangen ist. Seine Frau, Laila, kann nicht mal das. Also beginne ich mit der Alphabetisierung. Wieder und wieder gehen wir die Buchstaben durch, üben das Silbenerfassen, das Lesen einzelner Worte. Es ist hart. Manchmal ist am Donnerstag wieder vergessen, was am Dienstag noch so toll klappte. Doch wir geben nicht auf. A, B, C,…drei Monate lang. Wieder und wieder.

Eines Tages ist es soweit. Wir blättern eine Seite unseres Lehrbuches um, ein neuer Text, Laila ist dran. Ich halte den Atem an. Da, etwas stockend noch, aber verständlich, Laila liest. Nach Monaten harter Arbeit, unendlich vielen Tassen Tee und noch mehr Beulen auf der aus  Verzweiflung auf die Tischplatte geschlagenen Stirn, sie hat es geschafft. Laila liest. Mein vielleicht schönstes Weihnachtsgeschenk.


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