Dienstag, 13. Dezember 2016

Wie das Leben so spielt



Heute erinnerte mich das Leben an die Lektion „Man sieht sich immer zweimal“.
Meine alte Wohnung im Haus meiner Eltern wurde frei, weil meine Freundin, die dort wohnte, zu ihrem Freund zog. Jetzt zieht jemand Neues dort ein, eine ehemalige Schülerin von mir.
Die Gute gehörte nicht zu den fleißigsten Bienchen, ich habe sie eher selten in meinem Unterricht begrüßen dürfen. Nun ja, der Lehrplan für Geschichte ist auch nicht mein Ding.

Wir kamen trotzdem gut miteinander aus. Es war ein leben und leben lassen. Ich habe akzeptiert, dass sie nun mal Null Interesse an meinem Fach hat. Und sie hat, wenn sie denn mal kam, nichts „kaputt gemacht“, also nicht gestört, sondern brav an ihrem Platz gesessen. Ihre Abschlussnote war dementsprechend keine Eins, aber okay. Wozu einen Menschen stressen, wenn es um nichts geht. Ob sie die Details zu den Weltkriegen kennt, ist für ihr späteres Leben völlig uninteressant, dachte ich mir.

So gingen wir denn im Frieden auseinander. Und heute bin ich dankbar, dass ich nicht versucht habe, dieses Mädchen zu irgendwas zu zwingen. Sie ist längst verheiratet, hat zwei süße Kinder und hat sich sicher nie wieder Gedanken um vergangene Kriege gemacht. Ich kann darauf vertrauen, dass sie für meine Mutter den Flur putzt und sich auch sonst ein bisschen kümmert. Wir haben eine Haushaltshilfe für unsere Mutter, sie hat eine Arbeitsstelle direkt unter ihrer Wohnung, so ist allen geholfen.

Es lohnt sich, im Leben immer nett zu anderen zu sein.

Montag, 24. Oktober 2016

Jubiläum

Es war ein bisschen ruhig in der letzten Zeit, aber das hatte einen tieferen Grund. Mein immerhin 17ter Umzug, der sich zum Höllentrip entwickelte, hat meine Zeit und meine Kraft beansprucht. Jetzt kriege ich so langsam meinen Kopf wieder aus den Fluten, aber noch immer bin ich ziemlich weit von der Küste entfernt. Doch aus aktuellem Anlass mal wieder ein Beitrag:

Heute, auf den Tag genau, bin ich acht Jahre bei einer großen Ratgeberseite angemeldet. Ich sitze hier am Schreibtisch und erinnere mich an damals. Damals stand dieser Tisch in meinem Schlafzimmer in meinem Elternhaus. Ich war krank gewesen, hatte mal wieder einen heftigen Schub gehabt und war gerade dabei, mich wieder aufzurappeln. Da ich es nicht schaffte, lange auf zu sein und das Vollbringen großartiger körperlicher Höchstleistungen noch ausfiel, hatte ich angefangen, mich ein bisschen im Internet umzutun. Dabei fand ich die Seite von Ivonne, die mir sehr geholfen hat, wenn die Zweifel an meinem Weg mal wieder riesengroß wurden und ich gegen die Ärzte mit ihrer Basistherapie einzuknicken drohte. Und ich stieß auch auf Gutefrage.net, wo User Fragen stellen können, die dann von anderen beantwortet werden.





Es war eine wunderbare und sehr willkommene Ablenkung. Immerhin bewirkte es, dass ich wesentlich mehr Grund hatte, mich aus dem Bett hochzuquälen und wach zu bleiben. Der Professor, der mich damals behandelte, schätzte meinen Grad der Behinderung auf 80 und attestierte mir, dass ich niemals wieder arbeiten gehen würde. Meine Neurologin bekniete mich, endlich doch mit einer Basistherapie anzufangen. Ich selbst wusste auch nicht, wohin es gehen würde, aber ich wusste, mein Weg würde ein anderer sein. Woher ich diese Gewissheit nahm, kann ich nicht mehr sagen. Sie war einfach da.


Dieser Tag ist eine Gelegenheit für mich, mal kurz innezuhalten und mich zu erinnern. An damals, wo ich stand und mit wem. Und Dankbarkeit zu empfinden für das, was ich jetzt habe. Für meine Genesung, für meine Familie, die sich seitdem ja noch mal vergrößert hat. Vieles habe ich losgelassen in der Zwischenzeit, nicht immer freiwillig, Dinge, aber auch Menschen. Das Haus ist verkauft, ich wohne jetzt in einem anderen und mein Schreibtisch steht nun in einem eigenen Zimmer. Ob ich hier bleibe? Mal sehen. Das Leben bleibt spannend.

Montag, 2. Mai 2016

Freischwimmer

Eine Erkenntnis der letzten Tage.
Wir haben alle unsere eigene Geschichte.
Auch wenn wir nicht auf alles dabei Einfluss haben, schreiben wir sie doch in großen Teilen selbst. Ob wir eine glückliche oder weniger gute Ausgangslage haben, haben wir nicht in der Hand. Wir bestimmen nicht über alle Geschehnisse, die in unserem Umfeld passieren und die uns auf die ein oder andere Weise beeinflussen.
Aber wir bestimmen, wie wir damit umgehen. Wir bestimmen, ob es uns niederknüppelt, so sehr, dass wir am Boden liegen bleiben. Oder ob wir stärker als vorher aus solchen Erfahrungen hervorgehen, wenn wir uns wieder aufrappeln und weitergehen.

Das Wichtigste dabei ist, das alte Leben, das aufgrund der Veränderungen nicht mehr gelebt werden kann, weil es ganz einfach nicht mehr da ist, loszulassen.

Dazu muss man akzeptieren, was ist.
Lange Zeit fiel mir das schwer. Ich wollte nicht loslassen, ich wollte um jeden Preis das Leben zurück, das ich gehabt hatte. Nur, dass es dieses Leben nicht mehr gab. Nicht mehr geben konnte, weil die Person, die es dazu gebraucht hätte, nicht mehr lebte. Unbewusst hielt ich lange Zeit trotzdem daran fest. Doch wer schwimmen will, muss den Baumstamm loslassen, an den er sich klammert.

Denn nur wer schwimmt, kann die Richtung bestimmen, in die er kommt. Wer nur treibt, überlässt sein Schicksal der Strömung.

Samstag, 19. März 2016

Achtung, das wird ein trauriger Post. Oder zumindest ein nachdenklicher.

In letzter Zeit kochen viele alte Erinnerungen in mir hoch. Dabei sind nicht nur schöne, sondern auch viele schmerzhafte und lange verdrängte. Das mag mit den allgemeinen Umständen in der Welt, der homöopathischen Therapie, dem Alter meiner Tochter oder einfach damit zusammenhängen, dass es irgendwann an der Zeit ist, loszulassen.



Das sind mein Vater und ich.
Ich muss etwa fünf oder sechs sein auf dem Bild. Es war Ostern und wir gingen in den Wald, um nach Eiern zu suchen. Sieben Jahre später ist mein Vater bei einem Unfall ums Leben gekommen.

Ich vermisse ihn. Noch immer. Jeden Tag.

Ich vermisse das Gefühl, dass da jemand ist, zu dem ich aufschauen kann. Der meine Hand nimmt und mich führt und der den Weg ganz genau kennt. Dass mein Vater ihn nicht kannte, weiß ich heute auch. Vermutlich hätten wir uns fürchterlich gezofft, weil ich nicht in sein enges, kleines Weltbild gepasst hätte.
Heute frage ich mich, ob die Männer, mit denen ich zusammen war, immer nur eine Art Vaterersatz für mich waren. Ob ich mich angezogen fühlte von dem Wunsch, etwas Kaputtes  - unsere Familie - wieder herzustellen, „heil zu machen“. Ich weiß die Antwort noch nicht.

Ich frage mich oft, wie ich geworden wäre, wäre mein Vater nicht so früh verunglückt. Hätte ich studiert? Welchen Beruf hätte ich ergriffen? Fotografin? Journalistin? Oder doch was sicheres? Eins ist sicher, nicht Archäologin.
Hätte ich Kinder? Wäre ich überhaupt verheiratet? Und wenn ja, mit wem? Wo würde ich leben?

Ich betrachte zur Zeit oft ein Bild von mir, aufgenommen als ich klein war, etwa 3 oder vier Jahre. Es entstand an einem sonnigen Tag im Arbeitszimmer meines Vaters. Ich schaue offen und noch unverdrossen in die Kamera. Etwas, was ich heute nie tun würde, ich hasse es, fotografiert zu werden. Mein Blick ist offen und freundlich, irgendwie neugierig. Ich war gespannt darauf, was das Leben mir zu bieten haben würde.

Doch dann kam dieser Tag im Mai, der alles veränderte.

Die Karriere als Fotografin, das Studium in England, die gesicherte Zukunft, alles weg. Die Familie, das bisschen Zusammenhalt, das wir hatten, fort. Von diesem Tag an waren wir Einzelkämpfer, die zusehen mussten, wie sie überleben.

Sehr viel Konjunktiv in diesen Sätzen. Was hätte gewesen sein können…
Es ist Zeit, das alles gehen zu lassen.

Doch das ist ein Prozess und ich fühle, ich bin dem Kokon, in dem ich steckte, noch nicht vollständig entwichen. Mancher würde sagen, ich grüble zu viel. Dabei höre und fühle ich in mich hinein und lasse die Tränen gehen, die ich so lange Zeit in mir aufbewahrt habe. Dabei bin ich lieber allein, auch wenn ich damit manchmal den Menschen vor den Kopf stoßen muss, die ich liebe.



Es braucht eben Zeit, bis der Schmetterling nach dem Schlüpfen seine Flügel entfalten kann.


Sonntag, 7. Februar 2016

Alles auf Anfang oder warum ich nicht mehr aus Höflichkeit zu allem Ja sage

Dieses Jahr verspricht, ein spannendes zu werden. Als ich kurz vor Silvester noch einmal Karten zog – und ja, ich oute mich hiermit als Karten-Junkie – bekam ich die Karte 0, den Narr. Diese Karte kündigt einen Quantensprung an, sie fordert uns auf, alles Alte zurückzulassen und mutig nach Vorne zu sehen, sie setzt alles auf Anfang.
So vorgewarnt machte ich mich bereit für die Dinge, die da nun kommen wollten. Es war dann wie immer, letzten Endes hatte ich mit allem gerechnet, aber nicht mit dem, was tatsächlich um die Ecke bog. Es fiel mir das erste Mal richtig auf, als ich eine Einladung zu einer Feier am Karfreitag bekam. Wer mich kennt, weiß, ich faste. Also esse ich am Karfreitag kein Fleisch, meist auch keinen Fisch, keinen Kuchen, keine anderen Süßigkeiten. Alkohol und Kaffee trinke ich an dem Tag auch nicht. Davon kann jeder halten, was er will, ich mache das so.
Meiner potentiellen Gastgeberin gegenüber habe ich diesen Standpunkt verdeutlicht, vor allem, da ich weiß, dass diese Familie ein Problem damit hat, wenn man dem, was in Deutschland als Standard-Essen angesehen wird, abgeneigt ist. „Es gibt Fleisch, also isst man es auch“ ist nun mal nicht so meins.
Die zweite Gelegenheit war ein Arbeitstreffen, zu dem es Kaffee und Kuchen gab. Extra für diesen Anlass gebacken. Früher hätte ich, allein schon aus Höflichkeit und um die Mühe des Backens zu würdigen, ein Stück gegessen. Aber an dem Tag war mir einfach nicht nach Kuchen. Ich lehnte ab.
Versteht mich richtig. Ich rede niemandem rein, was er essen soll oder nicht. Ich sitze nicht auf Feiern und halte Vorträge darüber, was gesund oder ungesund ist oder doziere über jeden Bissen, der da auf den Tellern liegt. Was andere essen, ist nicht mein Problem.
Aber ich möchte selbst darüber entscheiden, was ich zu mir nehme. Ich mag es nicht, wenn ich vorwurfsvoll angesehen werde, wenn ich mir kein Fleisch vom Büffet nehme. Es ist nett von euch, mich einzuladen. Es ist gut gemeint, wenn ihr kocht und backt. Aber bitte akzeptiert, dass davon nicht alles gut für mich ist und dass ich selbst am besten weiß, was das ist.
Und wenn all die, die ständig über ihr Gewicht jammern und sich im selben Atemzug einen Softdrink runterkippen oder zur Schokolade greifen, sich mal wieder persönlich angegriffen fühlen, kann ich ihnen leider nicht weiterhelfen.
Ihr wisst, dass dieses Essen nicht gut für euch ist. Ihr könntet es lassen. Es ist eure Entscheidung, es trotzdem zu essen. Dazu sage ich nichts. Wenn mein Verhalten euch an euer schlechtes Gewissen erinnert, müsst ihr sehen, wie ihr damit klar kommt. Ich habe noch nie gerne Kuchen gegessen, also werde ich jetzt nicht damit anfangen, nur damit ihr euch nicht schlecht fühlen müsst. Das ist euer Ding, nicht meins.

Ein erster Schritt Richtung Quantensprung…